Bericht von der WENT 2010-2011

Meine Erfahrung aus der Weiterbildung zum Enneagrammtrainer

Dieses Thema wurde mir als Sechser angetragen und meine (typkonformen) Gedanken waren: „Auf diesen geistigen Striptease lässt Du Dich nicht ein; da kann Dir nur ein Strick draus gedreht werden. Neider zu einem öffentlichen Auftritt gibt es immer. Auf dieses Glatteis begibst Du Dich nicht. Da kommt für Dich nichts Positives bei raus! Wunderliche Kommentare bei der nächsten ÖAE-Hauptversammlung ersparst du dir. Und außerdem“ sagte eine andere Stimme „möchtest Du allen Ernstes das Thema Enneagramm mit sämtlichen Lebensthemen wie Liebe, Wut, Konflikt, Spiritualität, den Kontaktfeldern Familie, Arbeitsleben bearbeiten, also mal eben Dein Leben enneagrammtechnisch öffentlich tranchieren? Nein!!
Gibt es da nicht besser geeignete Typen, die gern einmal auf dem Treppchen stehen und von den eigenen Erfolgen berichtet möchten oder diejenigen, die sich aufgefordert sehen würden, das Thema umfangreich wissenschaftlich darzulegen?“
Schuster, bleib bei Deinem Leisten, war das Facit meiner Überlegung.
Bei meiner verbalen Ablehnung habe ich meinen Fünferflügel sprechen lassen; und wies auf die Unendlichkeit des Themas und die Gefahr der Ermüdung der Leser hin. „Immer positiv und konstruktiv sein“ dachte ich und bot statt 6.000 Zeichen einen Minibericht von 600 an. Damit war ich dann aber völlig unerwartet dran.
Meine Siebenerstimme führte mich auf eine Zeitreise in den schulischen Lateinunterricht zurück: „In vino veritas“ lautete eines der viele klugen Sprichwörter. Das Fläschchen neben mir ist jetzt um wohl einen Schoppen erleichtert; das Thema fühlte sich leichter an; kraftvolle, positive Gedanken durchströmten mich.
Ja, soweit ein typisches Beispiel meiner inneren Dialogführung und meines Lebensgefühls seit der Beschäftigung mit dem Enneagramm.
Für mich war der Schlüssel zur Integration des Enneagramms in mein Leben die Hausaufgabe während der ÖAE-Ausbildung:
„Beleuchtung der wesentlichen Lebensweichenstellungen unter Berücksichtigung des eigenen Typs“.
Diese hatte nachhaltige Wirkung. Der innere Beobachter war geweckt und fühlt sich bis heute gegenwärtig an (auch wenn er gelegentlich mit einiger zeitlicher Verzögerung reagiert oder mal beide Augen zudrückt). Das Bewusstwerden des eigenen Handlungsmusters ist für mich mit der Erkenntnis der eigenen Unzulänglichkeit, der eigenen Grenzen und dem Kontakt mit dem Gefühl der Demut verbunden. So wie ich mir Barmherzigkeit für mein Angstmuster schenke (wenn ich schmerzhaft spüre, dass ich trotz Erkenntnis keinen anderen Weg einschlage), nahm die Toleranz gegenüber den Schwächen der anderen Typen zu. Das Leben wirkt häufig wie ein großes, buntes Spiel auf mich, in dem es auch Freude macht, aktiv eigene Unzulänglichkeit einzubringen. Das Bibliodrama während der Ausbildung bescherte mir die Rolle des Jesus. War es Erleuchtung oder innere Größe, die mich zur Annahme der Rolle bewegte? Leider nicht; nach meiner Wahrnehmung scharrte bereits eine von mir als laut, poltrig empfundene und ohne jede Selbstbeschränkung agierende Acht mit den Füßen, um diese Aufgabe zu übernehmen. Das habe ich in meinem inneren Ambivalenzkonflikt zur Acht nicht mehr ausgehalten und meine „Bewerbung“ als lustvolles Sägen am Stuhlbein einer Acht
wahrgenommen. Bekanntlich ist es grundsätzlich nicht sinnvoll, herausragende Rollen nach der Motivation zu beurteilen.
Mit dem Enneagramm fühlt sich das Leben bunter an; die Lebensfreude, Sensibilität und Toleranz nehmen zu. Die eigene Rolle wird reflektierter wahrgenommen; es öffnet sich eine spirituelle Dimension. Der Umgang mit den Mitmenschen wird achtungs- und verständnisvoller.
Meine Überzeugung: Das Enneagramm ist der Inbegriff menschlichen Reichtums.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der alles und jedes in zunehmenden Maße mehr und mehr der Materialisierung anheimfällt. Aufgabe der Kirche ist es, gerade in diesem gesellschaftlichen Rahmen diesem Trend entgegenzusteuern. Themen und Aufgaben, die sich auf das positive menschliche Miteinander beziehen, sollten auf einem kraftvollen ökumenischen Fundament stehen. Das Thema Ennagramm sollte als Ressource menschlichen Wachstums und positiven Umgangs in jeder Hinsicht voran gebracht werden. Die Verbreitung des Enneagramms erfordert eine qualifizierte Nachwuchsausbildung auf hohem Niveau zu einem bezahlbaren Beitrag.
Ein fachlich kompetenter ÖAE, der weiterhin die Plattform für einen breiten fachlichen Austausch ist und an seiner konfessionellen Verwurzelung festhält, kann diese Aufgaben weiterhin bewältigen.

T.R., Hamburg

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