Auf der Suche nach einem Ehrenamt kam ich vor 12 Jahren auf die Idee, Deutschunterricht für ausländische Frauen anzubieten und stellte fest, das war genau mein Ding:
Als Eins mit großer Liebe zu Sprache und Grammatik
war ich anders als die Masse (zur Vier hin)
brauchte Neues und Interessantes (zur Sieben hin)
und konnte „Schwächeren“ helfen (mein Zweier-Flügel).
Mein Ziel war nicht nur gemeinsam Kaffee zu trinken, sondern etwas Sinnvolles, Bleibendes zu bewirken.
Seit 2 1/2 Jahren bin ich nun in der Asylarbeit tätig – wieder mit Deutschunterricht, aber nun oft noch kombiniert mit den ganz banalen Fragen des Alltags (Anträge, formale Schreiben verstehen und ausfüllen, Fahrkartenautomat erklären, etc.). Ich stelle fest, dass ich ohne Probleme einen Draht zu Flüchtlingen bekomme und der Funke überspringt. Viele fragen mich, wie das ohne Sprachkenntnisse geht. Es geht (meistens). Es ist zwar ein Wunder gerade für mich, die ich eher verkopft bin und für die das Medium Sprache eine große Rolle spielt, aber ich lerne dadurch, mit dem ganzen Körper für Verständigung zu sorgen. Das geht von Pantomime (Durchfall ist wunderbar pantomimisch darzustellen!!) über Gestik irgendwie meist ganz gut. Außerdem macht es kreativ, Dinge mit einfachsten Worten auszudrücken. Und man lernt jede Menge anderer Mitstreiter kennen.
Was mich daran reizt? Eine Psychologin meinte mal, ich sei als Kind in meiner Familie einsam aufgewachsen, obwohl meine Eltern körperlich anwesend waren, aber eben nicht mit dem Herzen. Zu meinem deutlich älteren Bruder hatte ich auch wenig Bezug. Daher kenne ich Einsamkeit im Innersten gut. Und das verbindet mich mit den Fremden.
Außerdem bin ich entdeckungsfreudig, aber irgendwie doch ängstlich. Eine Weltreise, um meine Neugier zu befriedigen, käme mir nicht in den Sinn. Aber auf diese Weise das Fremde in vertrauter Umgebung zu entdecken, ist eine prima Kombination für mich.
Fremd sein – eine Situation, die ich durch 9 Umzüge mittlerweile selbst gut kenne. Auch wenn sie alle innerhalb von Baden-Württemberg stattfanden, ist das für ein Mädchen aus einer 2000-Seelen-Gemeinde eine große Sache. Mein Vater, der nach der Hochzeit 5km von seinem Geburtsort wegzog, sah sich zeitlebens als Heimatvertriebener.
Durch den Beruf meines Mannes (ev. Pfarrer) sind wir von der Landeskirche „gewollt“ Heimatlose. Es wird empfohlen, regelmäßig die Pfarrstelle zu wechseln. Als Pfarrersleute sind wir natürlich in einer privilegierten Situation: wir werden von vielen Leuten schon mal offiziell begrüßt. Es gibt auch überall Menschen, die sich gern auf „die Pfarrers“ einlassen wollen. Ein großer Unterschied zu denen, die anonym in einer Großstadt landen. Womöglich noch ohne andere Landsleute, die Kultur und Sprache zu kennen. Völlig ausgeliefert, hilflos, ohne jegliche Kontrolle – ein Alptraum für eine Eins.
Meine Umzüge haben mich etwas gelehrt: ich muss auf die Leute zugehen, wenn ich Kontakt will. Die anderen sind in ihrer vertrauten Umgebung meist gut vernetzt und mit Verwandten und Schulkameraden etc. ausreichend beschäftigt. Da bleibt wenig Raum und Interesse an Fremden. Die besten Kontakte entstehen zwischen Menschen, die ebenfalls noch nicht lange an diesem Ort wohnen, sie sind zwangsläufig ebenfalls offener. Durch diese situationsbedingt notwendige Haltung, von mir aus auf andere zuzugehen, habe ich gelernt, mit fremden Menschen ins Gespräch zu kommen. Das wird mir in meinem Beruf als Apothekerin immer wieder positiv rückgemeldet.
*Fazit:*Fremd sein selbst zu erleben kann sich langfristig positiv auswirken
Flüchtlingen Heimatgefühl zu vermitteln – kann auch Heimat für mich selbst schaffen!!
Beitrag für Enneaforum Nr. 49
von Evelyn Philipp, Nattheim