Jahrestagung 2018 im Kloster Hünfeld

Ein geordnetes Leben.

Ein gutes Leben ist ein geordnetes Leben. Das habe ich als VIER begriffen und werde mir trotzdem ein Leben lang schwer tun mit dieser Einsicht.
Eine Grundfrage war und bleibt die Frage: „Wer bin ich eigentlich?“ Die Ordnung will mir eine Antwort geben. Aber ich kann sie nicht gut hören. Ich bin ja, vom Grundgefühl her ein Anderer, ein Besonderer Mensch. Gerade deswegen brauche ich die Ordnung. Sie beginnt mit den Worten: „Du bist ein geliebtes Kind Gottes.“ Immer wieder, wenn ich das begreife, geht es mir gut. Wenn ich wie gewohnt beim Anderen und Besonderen bin, geht es mir nicht mehr gut.
Ich suche Anerkennung. Sie führt mich weg von mir. Sie verführt mich, die Bewunderung meiner Fähigkeiten, meines Auftretens oder anderer Eigenschaften zu bekommen. Als Ältester versuchte ich ein braves Kind zu sein, das Lob verdiente. Als Schüler versuchte ich erfolgreich zu sein und sowohl den Lehrkräften als auch den Mitschülern zu gefallen. Ich kann das nicht empfehlen. Sich an den Meinungen der anderen auszurichten, ist eine dauernde Entfremdung. Es bleibt als Frage Tag für Tag bestehen: „Was denken die anderen über mich?“ Wenn sie Ablehnung ausdrücken, dann tun sich schwarze Löcher auf und eine sehr starke Schwerkraft zieht mich hinein.
Als Konfirmand begann ich hörend, lesend und im Gespräch zu begreifen: Gottes Ordnung beruht nicht auf seiner Anerkennung, sondern auf seiner Liebe. Das war schwer zu verstehen: Eine unverdiente Liebe bekomme ich geschenkt, einfach so. Aber immerhin: Die gute Nachricht von der bedingungslosen Liebe Gottes war ausgesprochen und angekommen. Ich habe sie gehört und bin seit vierzig Jahren damit beschäftigt, sie auch zu verstehen. Sie hat es nicht leicht bei einer VIER, die unverdiente Liebe. Neue Fragen kamen immer wieder auf: Liebt Gott auch die langweiligen Menschen, die stromlinienförmigen, die konservativen, die Normalos? Bin ich nicht jemand Besonderes mit meinen vielen Fähigkeiten und Eigenschaften? Es braucht Zeit, um das zu verstehen, bis heute. Das Enneagramm hat dazu viel beigetragen. Hurra! Es gibt auch die VIERer-Normalos. Und ich bin einer von ihnen! Gottes Liebesraum schenkt Geborgenheit und schafft auf diese Weise Platz. Er schafft Freiheit, weil es nicht mehr um Leistungen geht. Es geht nicht in geistlicher und erst recht nicht in materieller Hinsicht um Gewinne, Erfolge, Wohlstand, Zufriedenheit und vieles andere. Wer eine verwirrte VIER war und ist wie ich, lobt Gott für seine Ordnung, die auf der Liebe beruht. Du sollst Gott lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele und deinen Nächsten wie dich selber. Das ist die Zusammenfassung aller Gebote und Gesetze.
Wir VIERer haben Sehnsucht nach dem Einfachen. Dorthin zu kommen ist eine bleibend spannende Aufgabe Gottes an uns. Wir lernen: Gottes Liebe ist kein Gefühl. Sie ist eine Verheißung, die bereits eingelöst wurde. Das Licht ist schon durch das Dunkle gedrungen. Das Leben ist stärker als der Tod. Das lernen wir an Ostern, jedes Jahr und erblicken die schöne, geordnete Welt, die Gott geschaffen hat und der Gott am Ende der Zeit seine Ewigkeit schenken wird. Die menschlichen Zerstörungen und Aufsässigkeiten, ihre Gewalt und scheinbare Macht wird enden. Jesus ist auferstanden. Er reicht auch mir die Hände und sagt: Komm, Bruder! Freu dich an dem Einfachen, das so ist, wie es ist, nämlich gut.
Deshalb ist auch jeder Sonntag gut. Ich darf vor Gott treten und ihm sagen: Ich habe es wieder nicht geschafft. Es ist so schwer zu verstehen, dass ich das nicht muss. Du hast mich lieb, das reicht. Gib mir diese Wahrheit mit in die nächste Woche.
Ich darf auch täglich beten, aber mindestens am Sonntag, dem Licht- und Lebenstag in der Dunkelheit: Gott sei mir Sünder gnädig. Das heißt: Ich bin reich beschenkt mit allen Gütern. Aber was ist das gegen dein liebendes, ordnendes Wort, Gott, ohne das ich nicht leben kann!

Holger Forssman
Veröffentlicht im EnneaForum Nr. 52: „Das gute Leben“, Nov. 2017

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