Die Dynamik unserer Persönlichkeit

Ja, das „gute Leben“ ist ein tolles Thema! EG-Interessierte verstehen, wie ungeheuer verschieden wir sind, doch eins haben wir alle gemeinsam: Wir wollen alle glücklich werden. Es ist eine anthropologische Konstante. Die Frage nach dem rechten, glücklichen Leben ist die einzige, die das Denken wirklich lohnt (R. Musil). Wir Deutsche haben alles zum Glück, bis auf das Gefühl, wirklich glücklich zu sein. Dabei leben wir in einem IS-Staat: IS steht für Insel der Seligen. Wieso gilt Deutschland als Glücks-Entwicklungsland? Jammern wir alle zu viel? Ein Pathologe obduzierte Unfallopfer: Nur bei deutschen Unfallopfern fand er einen speziellen Hirnlappen – den Jammerlappen. (6)
Was also ist das gute Leben? Es ist ein unglaublich komplexes Thema. Bevor mich das EG packte, befasste ich mich über zwei Jahrzehnte mit Lebenskunst und Glück und publizierte, nachdem sich endlich ein handfestes Fazit herauskristallisierte, zwei kleine Bücher. Viele Autoren sagen erstmal, was Glück nicht primär ist und zertrümmern die verbreitetsten Irrtümer, denn die Vorstellungen über das Glück wimmeln davon.

Der Mensch ist zu nichts schwerer zu bringen als zu seinem Glück (H. Hesse).

1. Geld: Wenn Geld glücklich machen würde, wären ja alle Reichen glücklich, was aber bei weitem nicht der Fall ist. Es ist nice to have, aber es ist nicht das Entscheidende. Der Sprung also von 2000 nach 4000 € netto monatlich macht nicht doppelt so glücklich, sondern vielleicht 10 % glücklicher. Lottogewinner sind nach überraschend kurzer Zeit wieder so (un)glücklich wie vorher, obwohl noch die halbe Kohle da ist. Natürlich darf man trotzdem sagen: Wenn schon unglücklich, dann lieber mit Geld. (3)
2. Erfolg und Ruhm: Wohin geht es, wenn man ganz oben steht? Nur noch abwärts. Lorbeer ist ein schnell welkendes Kraut (3).
3. Schönheit: Wer sich hierüber definiert, hat in der zweiten Lebenshälfte ziemlich schlechte Karten: Die Haut wird runzelig – die Metamorphose zur Trockenpflaume lässt sich nicht aufhalten, höchstens aufschieben. (2,6,7)

Die Big Five des guten Lebens oder die fünf Brückenköpfe der Lebenskunst sind nach meiner Einschätzung:

1. Es ist das Gold in der Seele und nicht die Kohle im Portemonnaie. Persönlichkeitsentwicklung (=PE) ist wichtiger als äußere Bedingungen (meist hochgetrimmter Wohlstand). Dass sich Glück also wirklich einstellt, hängt davon ab, ob es auf einen gut bereiteten Boden fällt. Das sind die inneren Einstellungen, die mit der Persönlichkeit korrelieren und mühsam geistig errungen werden wollen. Sie bilden den Humus, durch den Glück als solches voll empfunden wird. Wenn man diesen wichtigsten ersten Punkt der Big Five, das Seelengold hat, dann hat man 80 % von Lebenskunst und Glück in der Tasche. Das Seelengold lässt sich in drei Teile teilen:

a) Seelische Gesundheit: Ihre Achillessehne ist das Selbstwertgefühl. Niemand kann glücklich sein, wer sich meterlang zum Halse heraushängt. Es gilt, sich mit sich selbst zu befreunden. Leicht gesagt, schwer getan, aber die Opferrolle muss verlassen werden, wenn man nicht lebenslänglich gegen den Wind spucken will. Sodann ist Glück enorm subjektiv: Dazu muss man seine Bedürfnisse kennen, sonst lebt man an ihnen vorbei und tut nur, was die anderen wollen oder was der tumbe Mainstream tut. Um das zu verstehen, ist das EG, die umfassendste und tiefste Persönlichkeitstypologie, ein erstklassiges Hilfsmittel. Ziel ist die PE innerhalb seines Entwicklungspfads. Wer ungefähr den Übergang von der mittleren zur oberen Reifestufe erreicht hat (bitte keinen Leistungsdruck oder Optimierungswahn), zeigt eine relativ stabile Heiterkeit und Liebesfähigkeit. Zu den genetischen Grundlagen euphorischer Zustände ist der relativ neue Begriff des Glücksfixpunktes wichtig, der auf die happiness-twin-study von D. Lykken zurückgeht: Er untersuchte 1500 eineiige Zwillinge, die trotz verschiedener sozialer Milieus (Trennung durch außergewöhnliche Umstände) verblüffend ähnliche Stimmungslagen zeigten. D. h. unter Normalbedingungen pendelt sich jeder Mensch auf sein individuelles (biochemisches) Glücksniveau ein. Wären dann alle Glücksanstrengungen nutzlos? Nein! Die biologische Basis lässt sich durch geistig-seelischen Reichtum positiv modifizieren: Schwerblütige Naturen haben geheime Sternstunden, an die flottlebige Frohnaturen nur schwer herankommen (4,7). Einen schwierigen Lebensstart hatte ca. ein Drittel. Deren Entwicklung geht am Ufer der Nachreifung entlang. Möge der Gedanke Trost geben, dass die Eltern es ihrerseits nicht besser konnten und dass es eine größere Kraft gibt, die ihn ins Leben gerufen hat: Die Eltern gaben die Gene, nicht aber die belebende Seele, in der man sich zufällig als neues bewusstes Ich vorfindet. PE dauert bis zum Tode. Integration endet nie. Die längste Reise ist die Reise nach Innen (D. Hammarskjöld). PE braucht Bildung, die von der Ausbildung abzugrenzen ist. Schön, wer vielen Spielarten der Kultur etwas abgewinnen kann. Nichts wissen ist nicht schlimm, schlimm ist nur, nichts wissen wollen. Ich unterscheide nur zwei Menschenrassen wie der Künstler E. Barlach: Die geistige und die ungeistige. Bildung ist die alles entscheidende Schlüsselressource: Ein Staat, der an Bildung spart, ist strunzdumm (oder taktisch machtgierig). J. F. Kennedy sagte: Es gibt nur eine Sache auf der Welt, die teurer ist als Bildung – keine Bildung. Intuition: Beim seelisch Gesunden befinden sich Denken und Fühlen in Balance. Beides sind Wahrheitsinstrumente! Ausschließliches Wissen ist zwar schön kristallklar und gut technisch nutzbar, aber es ist blind für den Zusammenhang mit dem großen Ganzen. Mit ausschließlichem Fühlen mag das Herz am richtigen Fleck sein, aber man hat nichts zu essen. Es lebe also die Kombination. Fließende Beziehungen mögen herrschen zwischen beiden Bereichen. Der Gipfel ist die Intuition. Alle beschwören ihre Bedeutung, aber keiner versteht, was sie ist. Sie scheint sich in alle drei Triaden-Energien hinein zu senken, wenn man im richtigen Zustand ist. Es lässt sich nicht machen, man kann sich nur dafür öffnen. Kommt Intuition nun von innen oder von oben? Hängt sie mit Inspiration zusammen? Gibt es fließende Übergänge? Wie hängt sie mit Empathie und Kreativität zusammen?

b) Menschlichkeit: Das ist die moralisch-ethische Dimension. Ein böser Mensch ist niemals glücklich, auch wenn er Glück hat (Menander). Arschl… können zwar Lust und Vergnügen haben, aber sind nicht nachhaltig glücklich. Glücklich werden nur diejenigen, die ihre spontane Selbstbevorzugung (nettes Wort für Egoismus) durchbrechen. Geben und Nehmen kommen in die Balance. Für die Ethik reicht eigentlich – so der Dalai Lama – die „Goldene Regel“, das Übrige der Ethik ist nur Kommentar dazu. Gibt unsere biologische Ausstattung das her? Jüngere Untersuchungen belegen: Höhere Säuger sind ursprünglich auf Kooperation und Potenzialentfaltung angelegt und die Spielarten der Destruktivität resultieren eher aus einer Frustration der sozialen Anlagen. Das Böse also als Folge gescheiterten Wohlwollens. Füreinander fühlt sich wirklich besser an als gegeneinander – wie schade, dass wir das so selten erleben, dass wir es schon fast für unmöglich halten: Im Team etwas zu erreichen, ist ein seltenes Glück geworden. Meist wird das Gute getan, um Strafe zu vermeiden und um gut angesehen zu werden. Wirkliche Güte zeigt sich in dem, was man tut, wenn keiner zusieht – der Rest ist Marketing. Es gibt das Phänomen der Selbsttranszendenz, die durchaus noch im eigenen Glücksverlangen gründen kann: Freude machen kann Freude machen (mein schönstes Wortspiel). Hier kommt die Motivation vermutlich von ganz oben. Nun denke bitte niemand, ich hätte das umgesetzt. Auch der Pünder ist ein Durchschnitts-Sünder mit sattem Schatten. Wie wichtig ist es doch, ihn zu sehen und sich dennoch zu mögen. Es steht schlimm um einen, der meint, er habe keinen Schatten, denn dann hat der Schatten ihn. Daher sind die wirklich guten Freunde diejenigen, die unseren Schatten kennen und trotzdem zu uns halten. Wer Böses spürt, bei sich oder anderen, möge sich angesprochen fühlen und Civilcourage zeigen: Für den Triumph des Bösen reicht es leider, dass „die Guten“ untätig bleiben. Da das Gewissen flüstert, muss man gut hinhören. So soll es nicht sein: Sein Gewissen war rein, er benutzte es nie (S. Lec).

c) Spiritualität: Das Christentum in Europa ist nur noch eine Sekte für Alte (ich karikiere). Kinder wissen fast nichts mehr von dieser schönen Religion: Auf die Frage, wer der Messias sei, antworten sie: Das ist doch der, der sein Zimmer nicht aufräumt. In Europa haben wir ein Mittelding zwischen leichter Spiritualität und Säkularisations-Atheismus. Spiritualität ist nie totzukriegen – es ist und bleibt die stärkste Hintergrundressource! Es ist gut belegt, dass gläubige Menschen meist glücklicher sind. Der Glaube an einen letzten Grund ist die Kraft, aus der sich das Leben untergründig nährt. Existentieller Zweifel ist deshalb so entsetzlich, weil einfach alles in seinen Sog gerät – das ist mehr als viel: Alles ist sinnlos. Natürlich ist dieser Exzess der Hoffnung erkenntnistheoretisch wackelig: Er ist immer vom Zweifel umzingelt. Die Frage nach dem letzten Grund entzündet sich regelmäßig, wenn man über den Tod nachdenkt oder ihn bei anderen erlebt: Krepieren wir ins Nichts? In der Tiefe unserer Seele haben wir die Sehnsucht, absolut und unverlierbar geliebt und aufgehoben zu sein. Das gibt natürlich niemand zu – man will ja kein Weichei sein. Zu glauben ist wahrlich ein kühner Sprung: Glaube ist das Sich-Loslassen ins unbegreifliche Geheimnis (K. Rahner). Den Zweiflern empfehle ich B. Pascal: Mit einem Glauben hat man nichts zu verlieren, aber kann alles gewinnen. Wenn man irrte, war es die beste Illusion. Auch wenn wir bis zum Tod Suchende auf Wanderschaft bleiben, so kommen wir vermutlich im Tod nach Hause.
Die starke Betonung der inneren Einstellung braucht nicht bedeuten, dass äußere Umstände nicht auch optimiert werden sollten, aber nicht verbissen, sondern geschmeidig unter Angekoppelt-Bleiben an das Seelengold. Hier möchte ich das Kombinationsmodell von H. Ernst (Chefredakteur von „Psychologie heute“) erwähnen, der als praktische Lebenskunstregel vorschlägt: Gute Einstellungen werden kombiniert mit erfreulichen Vergnügungen aller Art. M. a. W.: Lebt das Leben bis zum Anschlag, aber nicht hedonistisch, sondern eingebettet in geistig-seelischen Reichtum (= Seelengold).

2. Optimismus als Bereitschaft zu positiven Erfahrungen fehlt in keinem Konzept zum guten Leben. Die beste Lebensphilosophie besteht aus zwei Buchstaben: Ja! Aus einem verzagten Arsch kann kein fröhlicher Furz kommen (M. Luther). Man bewältigt das Leben lächelnd oder gar nicht (chin. Sprichwort). Die Feuerprobe des Optimismus ist der tägliche Ärger: Humor ist einer der besten Psychoregulations-Methoden. Beim Lachen springt die Seele in ihren Gleichgewichtszustand zurück. Ein erzwungenes Lächeln kann dabei ein echtes einleiten. Der Optimismus sollte ein realistischer Optimismus zu sein (7). Man kann Unangenehmes sehen, ohne sich ihm zu unterwerfen. In abergläubisches Denken sollten wir nicht mehr zurückfallen. Natürlich bringen schwarze Katzen regelmäßig Unglück, aber das gilt nur für Mäuse. Glauben wir weiterhin an die sanfte Gewalt der Vernunft und die Herrschaft des besseren Argumentes (bei gesunder Intuition). Welch ein Wahnwitz ist der Begriff des Postfaktischen: Als ob die Wahrheit ohne Fakten auskäme. Ohne Fakten sind Meinungen so etwas Ähnliches wie Hämorrhoiden des Geistes (H. v. Doderer). Die Unterscheidung von Spaß (Lust, Vergnügen) und Freude ist wichtig: Spaß hält sich nur für die Dauer des Spaßes. Er lässt sich leicht herstellen, nutzt sich aber ab. Freude hallt nach, ist nachhallig, nachhaltig, dafür leider schwer zu erringen – sie korreliert mit der PE. Vergnügen und Freude verhalten sich hierbei kompensatorisch: Ein Sprichwort sagt: Nach Vergnügen rennt, wer keine Freude kennt. (7) Was soll man anstreben? Fangfrage – natürlich beides! Der Optimist hat Zugang zu beiden Bereichen: Das ergibt Begeisterung, Enthusiasmus. Hierbei wächst die Persönlichkeit am schnellsten: Die PE galoppiert. G. Hüther: Die Gießkanne der Begeisterung (für Synapsen).

3. Liebe: Sie steht nicht an erster Stelle, weil sie so oft scheitert. Sie hat zwar das größte Glückspotenzial, aber gleichzeitig das höchste Unglückpotenzial: Es kann der Himmel oder die Hölle sein. Anfangs, in der Hormonphase, geht es allen Paaren gut mit freundlicher Unterstützung von Testosteron. Nach der Idealisierungsphase jedoch werden die Macken deutlicher: Im ersten Jahr duftete alles wie Pinienwälder, doch nun tritt man immer öfter in Mienenfelder. Früher nannte man seinen Partner noch Mäuslein oder Entlein, aber im Laufe der Jahre werden die Tiere immer größer: Aus Mäuslein wird Ratte und aus Entlein wird Gans. Was ist da los? Es ist ein Trauerspiel zu sehen, wie zwei Menschen, die sich einmal sehr liebten, nebeneinander erlöschen und vor sich hin kompostieren. Neulich las ich einen starken Satz: Die Intimbeziehung ist der Turbolader der PE: Besser als jeder Psychotherapeut sieht der Partner die Macken des anderen. Aber wie geht man damit um? Sich gegenseitig mit Druck umkrempeln, funktioniert nicht – das Gute lässt sich nicht hervorschimpfen, sondern nur hervorlieben. In wahnwitzigen Wohlwollen versuchen beide, ein Umfeld zu schaffen, dass der andere sich aus sich selbst heraus verändert. Unbedingt beide müssen ihre Persönlichkeit zu entwickeln versuchen, denn zum Scheitern genügt einer. Selbst die vorzüglichsten Menschen müssen diese Konfliktphase überstehen. Danach können Ehen wirklich gut werden. Paartherapeutische Erkenntnisse können helfen. Ihr Umfang hat sich im letzten Jahrzehnt verhundertfacht. Ehe ist nicht die Abkürzung für errare humanum est, sondern sie bleibt Ideal, auch wenn es selten erreicht wird. In den LAP (=Lebensabschnitts-Partnerschaften) zögert man, sein Bestes zu geben, sondern hält sich immer ein Hintertürchen offen.

4. Umgang mit Zeit: Individuell: Es gibt Hetzer und Lahme. (3,9…). Jeder dieser beiden Gruppen möge etwas gegensteuern, um sich der goldenen Mitte zu nähern. Die Hetzer drosseln ihr Tempo. Ihr Leben sollte nicht im Abarbeiten von To-Do-Listen bestehen, denn dann leben sie wie eine Maschine und das Leben rauscht vorüber. Sie schaffen zwar ungeheuer viel, aber sie nehmen es gar nicht voll wahr. Kein verweilender Genuss. Die Lahmen versuchen etwas zu beschleunigen: Z. B. durch kluge Planung drei Erledigungen flott hintereinander in der aktivsten Zeit des Tages (ca. 1 Std nach dem Aufstehen). Denn man braucht Schnelligkeit, um sich Langsamkeit leisten zu können (K. P.). In den modernen Gesellschaften ist das verbreitetere Problem die Hetzerei. Sie ist ein großer Fluch: Was wir auch tun, wir tun es unter Zeitdruck. Selbst die Nase wird mit Tempo geputzt. Wir haben also zwei riesige Unglücksgruppen: Die Arbeitslosen langweilen sich und verblöden vor TV, PC und Handy, während die Arbeitenden so viele Überstunden haben, dass sie sich selber abhandenkommen und ins Burnout geraten. Das Aufladen der eigenen Batterien ist leider genau dann am nötigsten, wenn man keine Zeit dafür zu haben glaubt. Man kann auch vor lauter Fleiß blödsinnig werden (O. Wilde). Wenn Maschinen und IT immer effizienter werden, entsteht bald eine strukturelle Arbeitslosigkeit, die nur sinnvoll mit der 30-Std-Arbeitswoche beantwortet werden kann. (Niko Paech propagiert in seiner Postwachstums-Ökonomie sogar 20). Der Lebensstandard mag dann vermutlich sinken, aber die Lebensqualität wird steigen, wenn Downshiften, Simplify und Suffizienz umgesetzt werden. Das Shopping-Leben entpuppt sich mehr und mehr als Seifenblasenglück, welches im Konsum-Burnout mündet und zudem unseren Planeten ruiniert. Natürlich kann jeder, der im Erwerbs-Beruf voll motiviert ist (nach Umfragen sind das leider nur 15 %) gerne mehr als 30 Wochen-Stunden arbeiten. Nur intrinsisch, d. h. von innen motivierte Tätigkeiten bewirken die Begeisterung, die Gehirn und Persönlichkeit wachsen lassen. Reiner Gelderwerb ist Notdurft, das schöpferische Werk ist Freiheit. Hat jeder Mensch eine Lebensaufgabe? Euphorische Zustände sind blöd instabil – aber als stabilste Glücksart gilt die intrinsisch motivierte Arbeit: Flow-Zustände über Jahre! Nur eins beglückt zu jeder Frist: Zu schaffen, wozu man geschaffen ist (P. Heyse). Ich definiere den gelungenen, glücklichen Tag als denjenigen, in dem ich ein körperliches und ein geistiges Hobby (= Enthusiasmus) realisieren kann. Beides kostet Zeit und Kraft, die bei 40–50 Wochen-Arbeits-Stunden nicht zur Verfügung stehen. Wer an einem kreativen Werk arbeitet, ist auf Muße angewiesen: Denn nur dann kommt die Muse! Hetzerei zerstört das Talent. Time is honey! Mische Tun mit Nichtstun – und du wirst nicht verrückt (russ. Sprichwort).

5. Alltag und Zufriedenheit: Sich über Highlights zu freuen, das kann jeder. Der Lebenskünstler jedoch schafft dies auch bei den Kleinigkeiten des Alltags. Es ist ein großer Fehler, sich Glück nur als XXL-Glück vorzustellen. Es gilt also, aus dem Schwarzbrot des Alltags einen wohl garnierten Toast zu machen (4). Wie glücklich ist der, der sich schon freuen kann, wenn ihm im Park die Enten nicht davonlaufen. Wie heißt die dazu passende Hintergrunds-Einstellung? Zufriedenheit – der Zentralbegriff des kognitiven Glücks! Zufriedenheit ergibt sich aus einer kleinen Ist-Soll-Kluft. Zufriedenheit ist unspektakulär, aber herrlich stabil. Wem genug nicht genug ist, der hat nie genug! (Natürlich gibt es auch eine sanfte, gesunde Unzufriedenheit, die zu neuen Ufern führt. Der total Zufriedene ist vielleicht ein stagnierender Resignierender.) Mit der Zufriedenheit hängt das so genannte Hedonistische Paradox zusammen: Es besagt: Obwohl man Glück will, darf man es nicht zu forciert intendieren. Wer das Glück jagt, verjagt es! Wir kennen alle den Spruch: Jeder ist seines Glückes Schmied. Noch wichtiger ist: Der Glücksjäger ist seines Glückes Störenfried (K. P.). Das Streben nach dauerndem Glück ist der sicherste Weg ins Unglück (W. Schmidtbauer). Man möge sich dem Glück wie einem Eichhörnchen annähern: Anlocken. Die Haltung hat etwas Geschmeidiges, Empfangendes.
Unglück: Es gehört dazu. Ein weites, bitteres Feld – der Sinn des Leids. Glück beginnt mit Unglücksbekämpfung. Aus Platzgründen ein eigenes Thema.

Fazit: Vergesst ruhig alles, nur nicht dies: Statt Koko PePe = statt Kohle und Konsum PE und Potenzialentfaltung – z. B. mit dem EG. Im globalen Transformationsprozess werden die Idee vom Guten Leben und das EG (Frieden, Toleranz, Kreativität) eine große Rolle spielen.

(Lebenskunst und Glück. Klaus Pünder. ISBN 978-3-86386-563-4, € 7,77)

Erschienen in: EnneaForum Nr. 52, November 2017, Titelthema: „Das gute Leben“

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