Methoden-Mix für ein buntes Potpourri – Eindrücke von der Jahrestagung 2015
Was haben das Enneagramm und das Open Space Konzept gemeinsam? Sie fordern Verantwortung von ihren Anwendern, fördern das Beste im Menschen zu Tage und bilden auf einzigartige Weise die Vielfältigkeit der Welt und der Menschen in ihr ab. Deshalb war es nur naheliegend, dass sich die Jahrestagung des Ökumenischen Arbeitskreises Enneagramm im Jahr 2015 dieser innovativen Methode bediente. Beim Feedback am Ende der Veranstaltung blieb die Kritik-Seite vollkommen leer. Auf der mit einem Smileys überschriebenen Seite für Lob fanden sich dagegen Kommentare wie „eine rundum gelungene Veranstaltung“, „gerne wieder“ und „Danke für diese Tagung“.
Der Freitag …
Begonnen hatte sie mit einem sehr individuellen und reich bebilderten Vortrag von Dr. Holger Forssmann zum Thema „Ich lebe mit dem Enneagramm“, der die Welt eines Menschen vom Grundtyp VIER anschaulich und persönlich zum Leben erweckte. [Hier können Sie den Vortrag als Audio-Datei nachhören! ] Traditionell schlossen sich die Treffen in den Typengruppen an, die sich über die Jahre zu einem Kern der Jahrestagung entwickelt haben. Gerade der offene und vertrauensvolle Austausch zwischen Menschen, die dem gleichen Grundtyp angehören, beschenkt die Teilnehmer mit verschiedenen neu(e)n Impulsen und Blickwinkeln, die sich im Alltag nur selten in dieser Klarheit einstellen.
Der Samstag …
Nachdem am Samstag alle Herzen aufgewacht waren und ausgiebig ein- und mehrstimmig gesungen hatten, führte Peter Maurer präzise und mit einzigartigem österreichischem Charme in die Open Space-Methode ein. Diese Methode der Großgruppenmoderation zur Strukturierung von Konferenzen zeichnet sich durch inhaltliche Offenheit aus, da die Teilnehmer ihre eigenen Themen ins Plenum einbringen und dazu zu Arbeitsgruppen einladen. In drei Durchgängen konnten die Enneagrammfreundinnen und -freunde ein breites Spektrum genießen. Zwar dauerte es einige Zeit, bis das Eis gebrochen war, doch nach knapp einer Stunde stand der „selbst gestrickte“ Tagungsplan fest: Klassische Themen zum Enneagramm, wie „Abwehrmechanismen des Gegenübers: Wie geht ihr damit um?“ (Einladende Dagmar Levsen), „Körperlicher Zugang zur Enna-Struktur“, ein Thema das Franz Habig besprach, und „Strategien, die helfen im Alltag mehr bei sich zu sein“ mit Carola Kalitta-Kremer fanden ebenso begeisterte Teilnehmer wie locker-unterhaltsame Themen, darunter das „Enneagramm-Kochbuch“, das Birge Brandt anbot. Andere Workshops wiederum luden zur Exploration neuer Fragestellungen ein. Sabine Baum erörterte darin die Frage, ob das Enneagramm auch schon für Kinder ein geeignetes Instrument sein könne, und gelangte zu dem Fazit, dass man mit Kindern durchaus positiv mit dem Enneagramm arbeiten könne, Schattenarbeit und intellektuelles Belehren aber strikt zu vermeiden sei. Angebote wie „Das große Abendmahl“ auf Einladung von Friedrich-Karl Völkner und „Neun Gesichter Gottes: Mensch als Ebenbild Gottes“ von Ruth Maria Michel legten den Schwerpunkt darauf, beiden Namensbestandteilen des ÖAE gerecht zu werden. Auch organisatorische Themen wie die Frage, welche Wünsche die Mitglieder an den Verein haben, oder ob der Verein eine Enneagramm-App entwickeln solle, standen auf der Agenda. Ein Blick in die Gesichter während der Kaffeepause machte deutlich: die Diskussionen waren lebhaft und angeregt, reichten zum Teil in die Pause hinein und machten es möglich, dass jeder und jede aus dem bunten Potpourri das herausnehmen konnte, was seine und ihre Jahrestagung für ihn oder sie wertvoll macht.
Der Samstagabend …
Am Samstagabend sorgte dann Jens Seidensticker mit seiner umfangreichen Musiksammlung aus verschiedenen Jahrzehnten dafür, dass „Open Dance“ nicht nur Schlagwort blieb, sondern heftig mit Leben gefüllt wurde. Bis weit nach Mitternacht kondensierten Wassertropfen an der Glasscheibe, die die Tanzfläche abteilte. Die wenigen, die aus unterschiedlichen Gründen davon Abstand nahmen, das Tanzbein zu schwingen, führten in der „Open Bar“ nebenan anregende und geistreiche Gespräche, auch aber nicht nur über das Enneagramm. „Pilgerstoff“ und Bionade hielten die Stimmbänder geschmeidig.
Der Sonntag …
Natürlich endet eine Jahrestagung des ÖAE mit der sonntäglichen Thomasmesse, die wegen des unsicheren Wetters nicht im wunderschönen Park und auch nicht in der majestätischen Kirche des Oblaten-Klosters Hünfeld, sondern im Versammlungsraum stattfand. Die Thomasmesse kennzeichnet das unmittelbare Erfahren und Erleben, und bietet damit über das bloße Glauben und Vertrauen hinausgehende Erfahrungen. Beim ÖAE geschieht dies durch Stationen, die zum Meditieren, Beten, Danken, Nachdenken, Segnen, Sprechen und – zum Beispiel im Labyrinth – zum Auf-den-Weg-Machen einladen. Die Messe ist benannt nach dem Jünger Thomas, und ein Gottesdienst für alle, die auf der Suche sind, wie es alle Enneagramm-Anwender gemeinsam haben. Pfarrerin Sarah Kirchhoff hatte das Thema „Neun Weisen des Aufbruchs“ in den Mittelpunkt ihrer Predigt gestellt. Besonders eindrücklich verwendete sie dabei das Bild der Sauerstoffmasken, die in einem Passagierflugzeug bei Druckabfall aus der Decke fallen, und lebensrettende Atemluft enthalten. Wie sie können das Wort Gottes und das Enneagramm Atem spenden, wenn die Luft dünn und die Lage kritisch wird.
Es geht weiter…
Die Jahrestagung 2016 wird vom 10. bis 12. Juni 2016 im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden-Naurod stattfinden. Viele, so hörte man bei den Abschiedsworten nach dem Mittagessen, freuen sich bereits auf ein gesundes Wiedersehen mit liebgewonnenen Menschen!
Alexander Pfab, Rosenheim