Bericht von der WENT 2010-2011

Ein Bericht von der Weiterbildung zum Enneagrammtrainer ÖAE

Das Prozessmodell hat mich begeistert!
Schon viele Jahre beschäftige ich mich mit dem Enneagramm und habe im Laufe der Jahre so einiges an Literatur über das Thema „verarbeitet“ sowie diverse Kurse und Vorträge besucht.
In der Weiterbildung zum Enneagrammtrainer ÖAE WENT 2010-2011, den ich zurzeit absolviere, konnte ich nicht nur neues Wissen erlangen, sondern auch vieles, was ich „nur“ theoretisch wusste, praktisch erproben. Während dieser intensiven Kursarbeit haben sich mir einige, völlig neue Blickwinkel erschlossen.
Das gilt in besonderer Weise für das Prozessmodell, das uns durch Arno Kohlhoff vermittelt wurde. Dieses Modell war für mich etwas völlig neues. Besonders beeindruckte mich, dass mit Hilfe dieses Modells ein Prozess sichtbar gemacht werden kann. Durch klare Definition der einzelnen Schritte des Prozessgeschehens werden die Prozessabschnitte von einander abgegrenzt und der Standpunkt im laufenden Prozess kann bestimmt werden(z. B. „Aha, da bin ich gerade“ und „Aha, dahin sollte es im nächsten Schritt gehen“).

Arno Kohlhoff berichtete, dass schon Gurdjieff das Enneagramm niemals statisch verstand. Stets sei es ihm um Bewegungen und Prozesse gegangen. Erst die esoterische und psychiatrische Sichtweise von Ichazo und Naranjo hätten, so Kohlhoff, das Enneagramm „vertypisisiert“, so wie es uns heute bekannt ist.
Klausbernd Vollmar (ein Psychologe, der jetzt in England lebt und lehrt) hat Gurdjieffs Impuls wieder aufgegriffen und das Enneagramm als Schlüssel zum Verstehen und Organisieren von Veränderungsprozessen weiterentwickelt.
Kohlhoff hat, ausgehend von Gurdjieffs und Vollmars Arbeit, das Prozessmodell dann auf den therapeutischen, beratenden und seelsorgerlichen Kontext erweitert, in denen es stets um prozesshaftes Erwachen und Reifen geht, um Krisen und daraus folgender Veränderung.

Am Anfang des Prozesses steht das Problembewusstsein (Prozesspunkt 1). Es wird wahrgenommen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Etwas (ein Problem, ein Projekt, eine Haltung, etc) bedarf offensichtlich einer Veränderung.

Mit Prozesspunkt 2 folgt die Analyse des Problems. Die Auseinandersetzung beginnt. Ursachen und Hintergründe des Problems werden beleuchtet und eventuell werden mögliche Lösungswege in den Blick genommen.

An Punkt 3 wird ein Außenimpuls nötig. Die Lektüre eines Buches, das Gespräch mit einem Freund, der Besuch bei einem Arzt oder Therapeuten sind mögliche Außenimpulse. Ein Außenimpuls kann auch ein überraschender, schicksalhafter Lebenseinschnitt sein oder ähnliches. Etwas Neues betritt die eigene Welt und muss eingefügt werden.

An Prozesspunkt 4 geht es um die Auseinandersetzung mit inneren und äußeren Widerständen. Diese Auseinandersetzung an Punkt vier ist hochemotional und unterscheidet sich so wesentlich von der Analyse an Punkt 2. Die Auseinandersetzung kann unangenehme Einsichten zutage führen, die nicht zum Weltbild passen und die verdrängt werden wollen. So ist es an diesem Punkt möglich, dass man spürt, dass das Ersehnte erreichbar ist und zugleich weiss, dass der Preis hoch sein wird.

Zwischen Prozesspunkt 4 und 5 trifft man auf den Graben. Um zum nächsten Punkt zu gelangen geht der Weg nur hindurch. „Zwischen Baum und Borke“ beschreibt Arno Kohlhoff diese notwendige Durststrecke, die Chaos, Dunkelheit, Verlust und kreative Krise bedeuten können. Im Graben kann es zu einer “positiven Desintegration” kommen. Das Vertraute wird verlassen und das Neue ist noch nicht in Sicht. Die eine Tür ist gerade zugeschlagen und an der anderen sitzt noch reichlich Rost in den Scharnieren, der diese beim Öffnen hindert.

An Punkt 5 manifestiert sich ein klares Wissen um das authentische Ziel. Punkt 5 zeichnet sich durch eine stark zurückgenommene Emotionalität und ein waches, wissendes Bewusstsein aus.

An Prozesspunkt 6 hilft ein zweiter Außenimpuls, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. An Punkt 6 nimmt man das Ziel und den eingeschlagener Weg so ernst, dass er vollständig verkörpert wird. Man gibt sich dem Ziel hin (Hingabe).

An Prozesspunkt 7 kommen erste Ergebnisse in den Blick. Erste Früchte der intensiven Prozessarbeit werden eingefahren. Optimismus und Zuversicht zeichnen diesen Punkt aus. Aber auch die Gefahr, es bei dem jetzt Erreichten zu belassen und so im Prozess stehen zu bleiben.

Die Vollendung des Ziels wird an erst Prozesspunkt 8 erreicht. Würdigung, Dank und Loslassen zeichnen den Prozesspunkt aus. Das Erreichen des Ziels kann jetzt unwidersprochen mit der eigenen Kompetenz in Verbindung gebracht werden. Zur Vollendung des Projekts, des Erreichten, des Ziels, gehört eine angemessene Selbstwürdigung sowie die Würdigung des Beitrags anderer. Die Folge davon ist eine tief empfundene Dankbarkeit.

Um den Zyklus zu vollenden, müssen die Ergebnisse an Punkt 8 – nach der entsprechenden Würdigung – wieder frei gegeben werden. Sie fließen dann von Punkt 8 weiter zu Punkt 9, dem Punkt der Integration, der Verbindung zum Großen Ganzen. Die Dinge sind im Lot. Es gibt nicht zu tun.

Damit schließt sich der Kreis. Ein neuer Kreislauf kann beginnen.

Das Prozessmodell werte ich als ein wirklich hervorragendes Werkzeug, nicht nur zum guten Verständnis und zur Strukturhilfe für die eigenen und für fremde Prozesse, sondern auch als wertvolles Instrument für die Begleitung von Prozessen von Ratsuchenden.

Danken möchte ich Arno Kohlhoff dafür, dass er den Stoff sehr anschaulich und lebendig rübergebracht hat sowie für das umfangreiche Arbeitsmaterial, dass er uns zur Verfügung gestellt hat.
Wirklich eindrucksvoll war, dass beim Begehen des Modells die einzelnen Prozessschritte „erfahrbar“ wurden. Ich konnte mich auf den einzelnen Stationen regelrecht „einfühlen“.

Das Modell ist ein Meilenstein für meine Arbeit mit dem Enneagramm!
Ute Fiuza

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